Günter Dieker | Besondere Radfahrer aus dem Münsterland
Günter Dieker im Porträt
© Münsterland e.V./Cornelia Höchstetter
Günter Dieker

Günter Dieker im Porträt

Günter Dieker im Porträt
© Münsterland e.V./Cornelia Höchstetter

Fahrradlehrer für die Verkehrswende

Vom Polizeibeamten zum Fahrradlehrer: Das ist Günter Diekers Lebenswandel, seitdem er in Pension ist. Der gebürtige Düsseldorfer ist 1957 geboren und lebt seit 1993 in Nottuln. Sein Berufsleben bei der Kriminalpolizei in Münster beendete er vor vier Jahren. Seitdem engagiert sich der Nottulner mehr denn je: bei der französischen Städtepartnerschaft Nottuln und St. Amand-Montrond, als Tourenleiter im Kreisverband Münsterland beim Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. (ADFC) und als ehrenamtlicher Fahrradlehrer in der Radfahrschule des ADFC Nottuln. Seit 2022 können dort alle das Fahrradfahren lernen.

„Es macht Spaß, auf dem Fahrrad unter Gleichgesinnten zu sein. Diese Passion möchte ich weitergeben.“


Herr Dieker, warum ist es Ihnen wichtig, Menschen vom Fahrradfahren zu überzeugen?

Weil das Fahrrad das Fortbewegungsmittel der Wahl ist und das gesündeste allemal. Außerdem brauchen wir das Fahrrad für die Verkehrswende. Ich möchte zeigen, dass viele Wege im Alltag auch mit dem Rad möglich sind. Das funktioniert nur, wenn die Leute Spaß am Fahrradfahren haben – sonst steigen sie nicht freiwillig um. Das heißt: Die Rahmenbedingungen müssen stimmen, Radwege, Fahrradnetz – eine Infrastruktur, die für Autos selbstverständlich ist. Wichtig ist natürlich die Fähigkeit, sicher Rad zu fahren. 

Wie kam es zur Idee der Nottulner Fahrradschule?

Der ADFC Münsterland e.V., dem wir als Ortsgruppe zugehörig sind, hatte seit vielen Jahren eine Radfahrschule. So etwas wollten wir für Nottuln auch. Zusammen mit zwei anderen Kollegen aus der Ortsgruppe ließen wir uns zu Radfahrlehrern ausbilden. Hinzu kam eine Kollegin, die bereits seit Jahren in Münster tätig war und nach Nottuln umzog. Schwierig war die Suche nach einem geeigneten Übungsgelände. Nach einem Gespräch mit dem Leiter der Liebfrauenschule ergab sich die Möglichkeit, auf deren Gelände zu üben. Ursprünglich war die Idee, Kurse für geflüchtete Menschen anzubieten, die nie Radfahren lernten. Dann haben sich vor allem Wiedereinsteiger gemeldet, etwa die nach einem Unfall Angst hatten oder die jahrzehntelang nicht mehr Rad gefahren sind. Unsere älteste Schülerin war über 80 Jahre alt und bedankte sich mit den Worten: „Ihr habt mir ein neues Leben geschenkt!“

Wie lernt man bei Ihnen Radfahren?

Nach einem ausführlichen Erstgespräch setzen sich die Schülerinnen und Schüler auf unsere speziellen Schulungsräder – die Pedale können wir abnehmen. Wie auf einem Laufrad gilt es, Gefühl fürs Gleichgewicht zu bekommen und das Bremsen zu üben. Das größte Problem ist, dass Erwachsene zu viel nachdenken. Manche haben Furcht vor schnellerem Fahren – dabei ist das Fahrrad stabiler, je schneller es rollt. Wenn sie sich sicherer fühlen, kommen die Pedalen ran. Anfahren, bremsen, stehenbleiben. Sie üben große Bögen, die immer enger werden bis zum Slalom um die Verkehrshütchen. Auch das langsame Fahren und das einhändige Fahren stehen auf dem Lehrplan, wie auch Verkehrsregeln. Der Grundkurs umfasst zehnmal 90 Minuten. Das Highlight ist für alle der Moment, wenn wir den Pausenhof verlassen. Fast immer ist dann der nächste Gang der zum Fahrradhändler…

Welche Tour eignet sich denn für Einsteiger?

Wir nutzen gern als Premiere die Feldwege ins Stevertal. Wichtig sind verkehrsarme Strecken mit wenigen Steigungen, damit das Augenmerk nicht zu sehr aufs Schalten gerichtet ist. Erst fahre ich voraus, dann winke ich alle vorbei – und die Gesichter fangen an zu strahlen. Anfangs empfehle ich nicht längere Strecken als 15 oder 17 Kilometer. In Nottuln bieten wir vom ADFC montags kürzere Touren an.  

Was ist die Motivation der Radfahrschüler?

Die über 80-Jährige konnte schlecht laufen, wollte sich aber eine Mobilität ermöglichen, die ihren Aktionskreis vergrößert. Die jüngste Schülerin war Anfang 50, die wollte Radfahren lernen, um ihre Freizeit zu gestalten. Für andere ist der Umwelt- und Klimaschutz ein Grund, um für kurze Strecken auf das Zweirad umzusteigen. Es kommen auch welche, die mit ihrem Pedelec ein Sicherheitstraining ablegen.

„Ein Leben ohne Fahrrad ist für mich unvorstellbar.“


Welche Rolle spielt das Fahrrad heute in Ihrem Leben?

Ein Leben ohne Fahrrad ist für mich unvorstellbar. Ich habe ein Faltrad, das ich ohne Fahrkarte im Zug mitnehmen kann und ein Pedelec für sämtliche Gelegenheiten: Dank der Gepäcktaschen ist der Wocheneinkauf genauso möglich wie eine Urlaubsfahrt. Meine Frau und ich haben im Urlaub immer unsere Räder dabei. Oder wir starten den Urlaub vor der Haustür: die SteverlandRoute ist eine der landschaftlich schönsten Touren, alleine wegen der renaturierten Flussabschnitte. Wir waren auch schon zehn Tage lang auf der 100-Schlösser-Route unterwegs.

Wo machen Sie gerne eine Pause?

Bei unseren Feierabendtouren ist ein Stopp an einer Eisdiele Standard. Meine Tipps fürs Wochenende sind: das Café Adelchen, Limbergen 9, in Dülmen – mit Biergarten und Blick auf den Buldener See. Ansonsten Außengastronomie aller Art, von denen wir auch in Nottuln einige haben.

Was macht denn das Münsterland für Sie als Fahrradregion aus?

Die vielen Radwege, dass sich die Landwirtschaft auf die Fahrradfahrer einstellt und es keinen Konflikt wie woanders gibt. Es ist einfach eine tolle Region, auch dank der Topographie. Wobei – ich hatte mal die Gelegenheit, mich mit dem ehemaligen Rennradprofi Eric Zabel zu unterhalten. Der war zur Vorbereitung des Münsterland Giros in Nottuln und gab zu: „Ich hätte nie gedacht, dass es hier so giftige Anstiege gibt“. Auf Strecken, die immer wieder über die Rücken der Baumberge führen, kann man schon auf 1000 Höhenmeter kommen.


Vielen Dank für das Gespräch und allzeit gute Fahrt!