Dr. Marta Binder | Besondere Radfahrer aus dem Münsterland
Dr. Marta Binder aus dem Münsterland
© Münsterland e.V./ Cornelia Höchstetter
Dr. Marta Binder

Dr. Marta Binder im Porträt

Dr. Marta Binder aus Warendorf
© Münsterland e.V./ Cornelia Höchstetter

DAS GUTE LEBEN auf zwei Rädern: Sie radelt für Schulkinder in Afrika

Bis Ende des Jahres 2023 will die Warendorferin Dr. Marta Binder 40.075 Kilometer auf dem Fahrrad-Tacho haben – die Strecke entspricht dem Erdumfang am Äquator. Für die imaginäre Weltumrundung radelt die Kinderärztin und promovierte Chemikerin kreuz und quer durchs Münsterland, durch die Bundesrepublik und darüber hinaus. Mit 77 Jahren ist Radeln für sie kein Selbstzweck, sondern hat einen Sinn: Seit 2013 sammelt sie so mit jedem Kilometer Spenden für Schulkinder in Afrika. Die Spendengelder gehen an die Stiftung Opportunity International, die daraus Mikrokredite an Schulunternehmer in Ghana vergibt. Die Schulkinder haben dank ihrer Bildung in den „Opportunity Microschools“ eine bessere Ausgangsposition für die Zukunft.  

„Beim Radfahren kann ich das Schöne mit dem Nützlichen verbinden: Spenden sammeln und Kindern helfen.“


Frau Dr. Binder, wissen Sie Ihren aktuellen Kilometerstand?

Der ändert sich jeden Tag: knapp 38.000 Kilometer sind es (Anm. der Redaktion: zum Zeitpunkt des Interviews im Juni 2023). Aber als ich im August 2013 das erste Mal mit meinem Fahrrad für „Radeln für Schulkinder in Afrika“ losgefahren bin, habe ich nicht ahnen können, dass ich zehn Jahre später über 300.000 Euro an Spenden für die Microschools in Ghana gesammelt habe.

Wie sind Sie zur radelnden Kinderärztin und Botschafterin für Schulkinder in Afrika geworden?

Mein Sohn Jan arbeitete für die Stiftung Opportunity International, die engagierte Schulunternehmer in Afrika mit Mikrokrediten für Schulprojekte unterstützen. Ich fragte ihn, ob ich – wenn ich in Rente gehe – mit Radtouren dafür zusätzliche Spenden sammeln könne? Er meinte: ‚Geile Idee, Mutter‘. Im Sommer 2011 reiste mein Sohn mit einer Journalistin nach Ghana, um ihr verschiedene Schul-Projekte zu zeigen und verunglückte tödlich. Ich fühlte mich im Wort bei ihm, blieb mit Opportunity im Kontakt. Und so radelte ich 2013 als Rentnerin los und fuhr verschiedene Banken an, die mir Schecks für das Projekt der Microschools übergaben – im ersten Jahr schaffte ich 954 Kilometer.

Was man wissen muss: Die Microschools sind Privatschulen, aber bewusst für die ärmere Bevölkerung. Die Eltern zahlen so viel, wie es ihnen möglich ist. In Ghana ist Schulpflicht, aber in den öffentlichen Schulen sind in den Klassen teils bis zu 70 Kinder. Die Verhältnisse können wir uns kaum vorstellen: dreckige Klassenräume, ein Ölfass als Küche, weder fließend Wasser noch Toiletten, obwohl es Ganztagesschulen sind. Opportunity kümmert sich um bessere Bedingungen, etwa um Toilettenhäuschen, um Tafel und Kreide und vieles mehr.

Mit den Spenden wird auch der im Gedenken an meinen Sohn verliehene Jan-Binder-Award finanziert. Jedes Jahr wird eine Schule ausgesucht, deren Bedingungen besonders vorbildlich sind: Die etwa Schulgärten haben, in der die Kinder Mülltrennung lernen oder etwas über die Vermarktung von Gemüse aus dem Schulgarten. Ich war selbst einmal in Ghana und würde gerne nochmal wieder hin - wenn die Mangos reif sind …

Welche Rolle spielt das Fahrrad in Ihrem Leben?

Ohne Radfahren würde ich mich sicher schon viel älter fühlen. Während meiner Berufszeit war ich bereits Teilstrecken-Pendlerin: Wir wohnten in Warendorf und ich musste jeden Tag nach Münster – erst zum Studieren, später an das Universitätsklinikum (UKM), um dort als Kinderärztin zu arbeiten. Ich hatte das Fahrrad im Kofferraum des Autos, parkte am Stadtrand, meist bei Stapelskotten, und war so jeden Morgen pünktlich um acht Uhr am UKM – mit dem Fahrrad war die letzte Strecke durch die Stadt immer gut kalkulierbar.

Warum ist für Sie Fahrradfahren wichtig?

Ganz einfach: Man fährt nicht ständig Auto und pustet COund Stickstoffoxide in die Luft. Zweitens wegen der körperlichen Bewegung. Je älter man wird, desto wichtiger ist das! Auch, um geistig fit zu bleiben. Und ich kann das Schöne mit dem Nützlichen verbinden: Spenden sammeln und Kindern helfen. 

„Ich bin 77 Jahre alt – ohne das Radfahren würde ich mich viel älter fühlen. Nur der Hintern tut ab und zu weh …“

Was macht das Münsterland für Sie als Radregion aus?

Hier gibt es weder Steigungen noch einen so brutalen Gegenwind wie an der Küste. Das Münsterland und Münster selber haben sich, was die Qualität der Radwege angeht, mit der Zeit deutlichst verbessert. Ich kann mich noch an so manche Holperstrecke erinnern, und wie empört ich war, wenn die Straße nebenan mit neuem Teer wie frisch gebügelt aussah. Warum nicht gleich die Radwege auch? 

Wenn Sie im Münsterland sind – welche Strecken fahren Sie häufig und auch gerne?

Sehr viel bin ich zwischen Warendorf und Bielefeld unterwegs, weil dort die Enkel leben. Meist bin ich aber zweckgebunden unterwegs – dorthin, wo unsere Spender sitzen. Im Münsterland sind das Ziele wie Nordkirchen, Havixbeck, Ahlen oder Ennigerloh. Gerne fahre ich auch den EmsRadweg, oder die Touren zu den Wasserburgen. Man findet immer wieder schöne Stellen – etwa Schloss Harkotten oder Kloster Vinnenberg bei Milte, zu dem eine traumhaft schöne Kirche gehört. Wenn ich meine Spendentouren fahre, plane ich die vorab auf der Touren-App Komoot und spule sie über die kabellosen Ohrhörer ab. So muss ich nicht an jeder Kreuzung ewig in der Karte suchen. Der Kompass an meinem Lenker gibt mir zusätzlich Orientierung, wenn es mal bewölkt oder neblig ist …
 
Wo fahren Sie als nächstes hin?

Bis zur vollendeten Erdumrundung fahre ich noch nach Jever/Ostfriesland und zurück, um dort einen Mitbotschafter von Opportunity zu besuchen. Es geht weiter nach Niedersachsen, erst Visbeck, dann Hannover. Weiter stehen auf dem Plan: Leipzig, Lützow, Bruchsaal, Trossingen, Schorndorf und an den Kaiserstuhl in Baden-Württemberg. Solange mein Hintern und der Fahrradsattel sich einig sind, solange Opportunity mitmacht und solange mich Spender einladen – so lange fahre ich die Aktion weiter. Mich motivieren die bisher erreichten 300.000 Euro. Es können auch Leute mitfahren – oder gerne spenden.

Vielen Dank für das Gespräch und allzeit gute Fahrt!

Praktisch für unterwegs

Wenn jemand weiß, was sich unterwegs bewährt, dann die Weltumradlerin Dr. Marta Binder. Die schwört auf ….

  •  … den Fahrradhelm. „Das rate ich jedem, dem sein Leben lieb ist.“
  •  … Rückspiegel am Lenker, „denn das Umdrehen fällt mir schon schwerer. „
  •  … eine griffberiete Flasche Wasser am Lenker 
  •  … den Tacho zum Kilometerzählen
  •  … den guten alten Brooks-Ledersattel: „Der Sattel und mein Hintern haben sich aneinander angepasst.“
  •  … minimal Gepäck: regendichte Jacke und Hose, eine Wechselkleidung 
  •  … Aufrüstung mit „E“: Das bietet zum Beispiel ein Kölner Start-up namens „Velogical“. Der leichten E-Motor heißt „Velospeeder“. 
  • Der beste Tipp: E-Faltrad mit leichtem Karbonrahmen, das darf auch in den ICE und gilt als Gepäckstück, braucht also keinen Fahrschein.


Du möchtest Dr. Marta Binder unterstützen?

Info-Adresse: Opportunity International Deutschland, Bremsstraße 6, 50969 Köln, www.oid.org Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE15 3702 0500 0001 2758 00, BIC BFSWDE33XXX, Stichwort: „Radeln für Kinder in Afrika“